Schloß Rammelburg.
(von Heinrich von Loefen, 1872)
Du schaust so ernst von deinen Felsen nieder
Zum grünen Thal, das lachend dich umgiebt,
Gleich einem Greise, dessen Blick getrübt
Und dessen Ohr entwöhnt der heitern Lieder.
Wohl hallt dein Wald von Elegieen 1 wieder,
Wie sie die Sängerin der Wehmuth liebt,
Und nun die Stirnen deiner Erker übt
Ein Dohlenschwarm laut krächzend sein Gefieder.
Was klagen sie, die holden Nachtigallen,
Was will der Dohlen heiseres Geschrei?
Beklagen sie, daß deine Zeit vorbei
Und daß der Burgen stolzer Kranz gefallen?
Mag es so sein. So lang’ um graue Mauern
Sich Epheu rankt, wird doch Romantik dauern!
Sagen 1
|
Volkssage: Der Schatz in der Rammelburger Mühle.
(im Österreichischem Morgenblatt 14.September 18392)
„Eisleben, der Glockenklang,
Seeburg, der Fischfang,
Rammelburg, der Vogelgesang,
Und Helffta, der Flegelklang.“
Dieser alte Spruch lebt noch heute im Munde der Bewohner des schönen romantischen Harzgebirges und er gibt uns die Gelegenheit, eine Sage mitzutheilen, die sich von einer, in der Nähe des Schlosses Rammelburg liegenden Mühle erhalten hat.
In der Nähe dieses Herrensitzes der Familie von Friesen bilden zwei Bergketten ein Thal, das sich anfangs in gerader Richtung von Westen nach Osten erstreckt, und sich dann südlich um das Flüßchen Wippra sein Bett gebahnt; zwei Mühlwerke klappern an seinem lieblichen Ufer.
Das Schloß ist vollständig erhalten und soll, nach einer unverbürgten Nachricht, im Jahre 1554 von den Truppen des Herzogs Heinrich von Braunschweig angegriffen, eingenommen und zerstört worden sein. Es gehörte damals den Grafen von Mansfeld und wurde wieder aufgebaut.
In den Zeitraum dieses Baus versetzt die Tradition das unten erzählte Ereigniß.
Wie jetzt die große Mühle ihre festen Mauern erhebt, stand damals eine andere, der man nichts weniger als Reichthum ansah; denn, wenn sich darin das große Rad bewegte, so bewegten sich die meisten Mauern mit; einzelne Nebengebäude waren zerfallen und Elend schaute aus dem zerlöcherten Dache und den zerbrochenen Fensterscheiben.
Bei aller Arbeitsamkeit war der gute Müller nicht im Stande, vorwärts zu kommen; die Mühle stand öfter als sie ging, und wenn das noch länger so fortgedauert hätte, sie würde der Meister mit Frau und Kindern verhungert sein.
Da erwachte einst zur Mitternachtszeit das geschäftige, dem Müller und seiner Hausfrau mit ganzer Seele ergebene Dienstmädchen oben in der engen Kammer, und weil der Mond hell schien, so glaubte sie, es sei schon Tag und lief hinab in die Küche, um Feuer auf dem Herd anzuzünden.
Hier ergriff sie das eiserne Kästchen, in welchem Stahl, Stein und Zunder lag; aber der Stahl scheint verrottet, der Stein abgenützt und der Zunder will nicht zünden. „Was will das werden?“ Mit Ungeduld wirft sie einen Blick durch das Küchenfenster und gewahrt zu ihrer Freude ganz oben am nahe bei der Mühle sich erhebenden Berge, wo die Herrenburg liegt, ein hell herüber funkelndes Kohlenfeuer.
Sie hatte in ihrem ganzen Leben da noch kein Feuer brennen gesehen, aber was schadete es? Vielleicht haben es gestern Abends Arbeiter angezündet, die dort des Tags über oft mit dem Aufbaue beschäftigt waren.
Schnell nahm sie ein Gefäß, eilte den Berg hinauf und sah dort zu ihrem Schrecken um die Kohlen her dunkle Männergestalten stehen, aus deren Mund aber kein Laut sich hören ließ.
Fast wäre ihr das irdene Gefäß bei diesem Anblicke aus der Hand gefallen. Sie wollte zurücklaufen zur Mühle; da winkte ihr eine der schwarzen Gestalten, sie faßte sich ein Herz und füllte mit zitternder Hand die Pfanne voll Kohlen. Dann lief sie den Berg hinunter und schüttete die Kohlen auf den Herd, wo sie aber also gleich erloschen.
„Ehe ich da wieder hinaufgehe,“ dachte sie, „will ich lieber eine ganze Viertelstunde lang das alte Feuerzeug versuchen.“
Sie schlug und schlug, umsonst; da hörte sie in ihrer Angst oben auf der Kammer sich etwas regen, als erhebe sich der Müller und dessen Hausfrau von ihrem Lager. Sie lief daher neuerdings schnell den Berg hinauf, nahm wieder Kohlen, schüttete sie unten auf den Herd, es geht aber damit zu wie zuvor.
Sagen 3
|
„Aller guten Dinge sind drei,“ dachte sie, überwand nochmals ihre Furcht und raffte aus dem Kohlenfeuer die glühenden Stücke auf, ohne sich umzuschauen. Als sie hinabeilen wollte, rief ihr jetzt eine fürchterliche Stimme nach: „Nun nicht wieder!“
Am ganzen Leibe zitternd kam sie in der Küche an, und als die Kohlen wieder verloschen, sobald sie den Herd berührt hatten, vermochte sie sich kaum mehr aufrecht zu halten. Sie schlich sich zitternd zu ihrem Lager hin und sank ermattet nieder.
Die Nacht ging vorüber, der Meister stand auf, begab sich hinab in die Küche, um den Frühtrunk zu fordern. Die Magd war noch nicht aufgestanden, aber von dem Herde schimmerte ihm etwas funkelnd und glänzend entgegen.
„Was ist das?“ Er ergriff Stücke der leuchtenden Masse. –
Wunder, sie sind schwer und rund, es sind lauter Goldstücke!
Er eilt zur Küche hinaus, weckt das ganze Haus; die Meisterin kommt und die Kinder kommen, zuletzt auch die Magd. Diese erstaunt noch mehr als die Uebrigen und gibt den gehörigen Aufschluß, wodurch eine neue Verwirrung entsteht.
„Das Geld gehört dir,“ sagt der Müller, „denn du hast es mit Lebensgefahr erworben, und wohl dir, daß du fromm und gut warest, sonst lägest du heute als eine Leiche da; denn mein Großvater hat mir erzählt, daß die Geister, welche den Schatz da oben bewachen, schon gar viele Bösewichter getödtet haben, die ihn in alter Zeit heben wollten. Also dir gehört der Schatz.“
Es war aber ein anderer Schatz in der Mühle, welchen das Mädglein viel lieber hatte, als das Gold; das war des Müllers ältester Sohn, und dieser blickte auch über das viele Gold zum Mägdlein hinüber.
Als nun nach einem halben Jahre die Hochzeit gefeiert wurde, ward zugleich der Grundstein zu der neuen Mühle gelegt; sie ward hoch und herrlich ausgeführt und da steht sie noch; die Kohlen aber am Berge und ihre Wächter hat Niemand wiedergesehen.
Uebrigens war die Ehe des Mädchens mit dem Müllerssohne so musterhaft und glücklich, daß sie noch im hohen Alter versicherte, der erste Schatz habe nur darum einigen Werth in ihren Augen gehabt, weil sie durch ihn den zweiten Schatz erlangt habe, so wie er seinerseits versicherte, er hätte seinen Schatz auch ohne Schatz genommen.
Gedicht: Schloß Rammelburg.
(von Karl Gottfried Worch, geb. in Vatterode 1810, aus einfachen Verhältnissen, Schneidermeister 3)
Im Wipperthal hoch auf dem Felsen
Erhebt aus dem waldigen Grün
Sich stolz eine Burg, ihre Zinnen,
Sie leuchten so mächtig und kühn.
O Rammelburg, schön und erhaben,
Dir »Vogelsang!« tönt der Gesang,
Längst haben dich Lieder gepriesen,
Mit innerem, herzlichem Drang.
Oft weilt‘ ich dort oben und blickte
Hinab auf das blühende Thal;
Mich grüßte die sinkende Sonne
So lieb mit gebrochenem Strahl.
Lebt wohl, ihr Gefilde der Heimath!
Ich sehne mich oftmals zurück;
Mit Frohsinn hab’ dort ich genossen
Der Jugendzeit seliges Glück!
Sagen 4
|
Lied: Die Rammelburg.
(Text und Musik von Robert Fickert, Eisleben)
Rammelburg, im Mansfeld Land,
wie stolz stehst du da drohen,
bei Wippra an des Harzes Kant‘,
dein Namen alle loben.
Rings um dich her die Waldespracht
von Tannen, Buchen. Eichen,
sie schau’n hinauf, bei Tag und Nacht
zum alten Wahreszeichen.
Die Rammelburg, sie liegt so schön,
ragt über Wiesen, Wälder,
ein Märchenschloß ist hier zu sehn
inmitten, deiner Felder.
Rammelburg mit Türmen schön,
du leuchtest in die Ferne,
im Tal wo Bahn und Wipper gehn
ein jeder wandert gerne.
Es sind die alten Eichen noch
sie rauschen und sie mahnen,
des Baues Schönheit leuchtet hoch
wie einst bei unsren Ahnen.
Die Rammelburg, sie liegt so schön,
ragt über Wiesen, Wälder,
ein Märchenschloß ist hier zu sehn
inmitten deiner Felder.
Rammelburg, Erholungsort,
du gibst den Menschen Freude,
vor allem ist dein Klima dort
gesund für alle Leute.
Zu schöpfen Kraft aus guter Luft
sich stärken und gesunden,
durch Wiesen und des Waldesduft
Erholung ist gefunden.
Die Rammelburg, sie liegt so schön,
ragt über Wiesen, Wälder,
sein Glöcklein ruft auf Wiedersehn
inmitten deiner Felder.
Rammelburg. aus weiter Fern’
dank ich dir voller Freude,
ich denk an dich nur immer gern,
weil froh auch deine Leute
Wo’s Wild im Wald den Förster neckt,
wo Vöglein singen Lieder,
der Herrgott die Natur erweckt
kehr ich zu dir bald wieder.
Ach Rammelburg, Erholungsort,
gibst Freude, Kraft und Streben,
dich lieb ich sehr, Gott ist dein Hort –
und hilft fürs ganze Leben.
Reisebericht: Ins Wipperthal.
(von Heinrich Pröhle 18634)
Was wissen sie vom Wipperthal im Harze? Haben Sie das Schloß Rammelburg gesehen? So war ich oft von Geographen selbst gefragt worden. Diese Fragen veranlaßten mich im Jahre 1862, meine Bekanntschaft mit dem fast ganz unbekannten Wipperthale, in dem ich einen Theil meiner Jugend verlebt hatte, zu erneuern.
[…]Die Lage von Rammelburg mitten in einem waldigen Bergkessel rechtfertigt es schon durch den Augenschein, daß ihm vorzugsweise der Vogelgesang zugeschrieben wird. Innerhalb jenes höheren Bergkessels erhebt sich am linken Ufer der Wipper, welche ihn in einem schönen Bogen umschließt, der steile Schloßberg, der nur aus der dem Flusse entgegengesetzten Seite durch eine schmale Landzunge mit den Höhen des Bergkessels und mit der ihnen wieder sich anschließenden harzgeroder Hochebene in Verbindung steht.
Der waldige Schloßberg innerhalb des waldigen Bergkessels verdoppelt an dieser Stelle die hohen Ufer und die Wälder und alle Reize des Wipperthals, selbst die Vögel und ihre Nester, sodaß man in allem hier eine Quintessenz des Wipperthals zu sehen glaubt, wobei die gelblichgrünen Wiesen natürlich nicht fehlen dürfen.
Die Frau des ,,Boten«, welchem erlaubt ist, das von der Gutsherrschaft bewohnte Schloß zu zeigen, übernahm es, mich umherzuführen.
Wir traten zuerst in die kleine Schloßkapelle mit ihren gemalten Truthähnchen und andern Wappenzeichen ein, betrachteten die alten hohen Stühle mit Fußsäcken davor und vor Kanzel und Altar das Lesepult mit Rehfell und schönen Decken, an welchem jetzt der Gutsherr den Seinen die Morgenandacht hält.
Als dann wurde ich in einen Vorsaal mit Hirschgeweihen geführt, der mir so recht im Mittelpunkt des Vogelgesanges von Rammelburg zu liegen schien. Hier sind zwei Hunde, ähnlich den Bernhardinern, abgebildet, welche der ,,Bote« von Rammelburg als seine Vorgänger betrachtet. Sie sollen nämlich abgerichtet gewesen sein, täglich von Hettstedt und Eisleben frisches Fleisch und Briefe durch den Wald zu holen, welche ihnen in ein verschließbares Körbchen gepackt wurden, zu dem man an den Anfange- und
Endpunkten ihrer täglichen Reise die Schlüssel hatte. Wie der Vorsaal so sind auch die andern Zimmer im Schlosse modern. Unter diesen befindet sich ein Saal mit Bildern, die grün ausgeschlagene Billardstube und eine Stube der gnädigen Frau im edelsten Geschmacke, ,,wie eine Kirche“, erläuterte meine Führerin.
Gerade unter einem wohlerhaltenen Burgthurme, an dem sich Buschwerk und Bäume weit hinanziehen, befindet sich ein schmales Zimmer mit zwei Sofas. Es bildet den Durchgang zum Garten, zunächst zu einer köstlichen Terrasse über der Wipper unter den Bogen der Kirchenfenster. Zu beiden Seiten voran standen Säulen von Blumentöpfen und an die Kirchenfenster lehnte sich Orangerie an. Auf die erste Terrasse folgt eine Rosenterrasse. Die dritte enthält einen Schießplatz mit hohen Flatterscheiben in der Luft. Darunter befindet sich als nächste Terrasse ein Tannengang. Ihm gerade gegenüber liegt jenseits der Wipper auf dem höhern Berge hoch und tief im Grün ein Schweizerhäuschen ohne Thür. Tiefe Waldschluchten ziehen sich unter dem Garten hin.
Sagen 2
|
Zwischen der Südseite der Burg und dem Thale erblickten wir mitten am Bergabhange das Klippenhäuschen, das eine herrliche Aussicht ins Wipperthal aufwärts gewährt. Wir selbst schlugen zunächst einen Weg ein, der ins Thal hinabsührte. Aber noch waren wir nicht weit am Schloßberge hinabgestiegen, als wir einen ganz vom Gebüsch überwachsenen Fußweg betraten, der in nordöstlicher Richtung unterhalb der Terrasse um die Burg herlief. Vor und hinter uns ein verwachsener Weg, um uns die Nacht, unter uns nicht sichtbar der Fluß, über uns gleichfalls nicht sichtbar die Burg, aber vor und hinter uns und zu beiden Seiten in Busch und Gras glühende Johanniswürmchen ohne Zahl — kann man sich eine vollständigere Waldeinsamkeit denken?
Kaum vermochte ich mich loszureißen und saß bis gegen 10 Uhr an dem schönen Abend mit dem Boten auf einer hölzernen, ganz von Buschwerk überhangenen Bank, die wir an diesen Fußwegen antrafen.
[…]Am andern Morgen verließ ich das Wipperthal auf der Straße, die nach der harzgeroder Hochebene führt. Wie herrlich strahlte da Schloß Rammelburg in der Frühe über all dem Grün der Wälder Die Vögel zwitscherten ringsum im Glanze der Morgensonne und jetzt erst wurde mir recht die Bedeutung der Worte klar: ,,Rammelburg, Vogelsang.“ Der schöne Morgen machte mir den Abschied vom Wipperthale noch schwerer.
Realis.“