Ende 2. Weltkrieg
Der Rammelburger Erich Träger kam als Kind mit seiner Familie als kriegsbedingter Umsiedler aus Polen nach Rammelburg. Sie kamen am 20. Februar 1945 in Rammelburg an und erhielten für drei Monate im Südwestflügel des Schlosses ein Zimmer. Mit ihnen sollen zirka fünfzig weitere Umsiedler auf der Rammelburg gewohnt haben. Die Orangerie wurde im Frühjahr 1945 noch von den deutschen Soldaten als Garage genutzt und hatte keine Fenster. Zu dieser Zeit fuhr Erich Träger mit seinem Vater für die Soldaten Holz zur Beheizung des Schlosses. Eine Kohleheizung hat es nicht gegeben.
Die deutschen Soldaten wollten in Rammelburg das Vordringen der Amerikaner aufhalten, indem sie sich auf der „Reitbahn“, einem Landstrich vor dem Rammelburger Friedhof, eingruben, erzählt Erich Träger. Dies schlug jedoch fehl und so ließen sich die Amerikaner im Frühjahr 1945 in Rammelburg nieder. Doch schon 1945 zogen sie von Rammelburg in die ihnen zugedachte Besatzungszone ab. Heinz Mohr erzählt aus Erinnerungen vom verstorbenen Zeitzeugen Hans Peter-Henzel:
„Die Amerikaner haben viel vernichtet, was vor 1945 noch bestand. Sie wussten, dass der Russe kommt. Sie haben das Vieh weggetrieben und das Schloss ausgeräumt. Die Möbel wurden mit Diesel überschüttet und angesteckt, damit den russischen Soldaten nichts in die Hände fällt.“
Russische Soldaten
Vom Eintreffen der russischen Soldaten im Juli 1945 kann Erich Träger berichten: „Das vergesse ich nie. Ein Pferd, zwei Mann. Der eine hatte einen Zerrwanst gehabt und hat bis oben auf den Ökonomiehof fröhlich ein Lied gespielt.“ Die russischen Soldaten nutzten die Räumlichkeiten des Schlosses von 1945 bis mindestens 1947 als Getreidespeicher: „Das Schloss war voll. Nicht nur der Speiseraum. Das ging hoch über drei Etagen.“ erzählt Erich Träger. Die Bauern aus den umliegenden Ortschaften wie Braunschwende oder Friesdorf mussten einen Pflichtteil ihres Getreides stets auf die Rammelburg bringen. „Der Russe war streng. Wenn man 30 Pfund bringen musste und es fehlte ein Kilo, ging es mal für ein paar Tage in den Knast.“ berichtet Träger. Während der warmen Monate wurde so das Schloss mit Getreide gefüllt. Im Winter wurde es in Friesdorf in den Zug verladen und nach Russland abtransportiert.
Wenn der Speiseraum des Schlosses im Winter leergeräumt war, fanden dort durchaus Veranstaltungen statt. So veranstaltete die Feuerwehr Friesdorf 1946 im Speiseraum ein Tanzvergnügen, bei dem Erich Träger als Kassierer aushalf. Auch zwei russische Soldaten nahmen an diesem Vergnügen teil, erinnert er sich. Doch aus Wippra kamen ranghöhere Russen, die die beiden Vergnügten an Armen und Beinen nahmen und sie auf den LKW schmissen. „Anscheinend hatten sie an diesem Tag keinen Ausgang“, kommentiert Erich Träger.
In Rammelburg wurden im umliegenden Wald und Gewässern viel Munition und Waffen gefunden. Diese stammten von deutschen Soldaten, die diese aus Angst vor den Amerikanern oder Russen wegwarfen. Im Schwanenteich des Schlosses am Fuße der Rammelburg suchte Erich Träger mit seinen Freunden als Kind nach Eierhandgranaten, da sie dort zahlreich versteckt waren. Er berichtet:
„Wir haben in den Ring gefasst und sie raus geholt. Dann sind wir zu einem russischen Soldaten gelaufen und haben sie ihm gegeben. Er hat die Granate genommen, hat abgezogen und sie in die Wipper geschmissen. Wir Kinder freuten uns – dann schwammen die Fische oben.“
Lehrlingwohnheim mit Meisterschule
Im Archiv des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie in Halle gibt es Grundrisse des Schlosses von 1947, aus denen die Planung eines Lehrlingwohnheims mit Meisterschule ersichtlich ist. Die Meisterschule der Handwerkskammern des Landes Sachsen-Anhalt sollte vom Architekten Schalk aus Mansfeld eingerichtet werden mit 10 Personalzimmern, 38 Gästezimmer, Großküche, Musikzimmer, Speisesaal, Bibliothekszimmer und Tagungsraum.1 Nachfragen bei Rammelburger Bürgern haben jedoch ergeben, dass sich niemand an das Bestehen einer solchen Schule erinnern kann. Wahrscheinlich ist es bei der reinen Planung dieser Schule geblieben.